Private Blitzer: Dürfen Unternehmen die Aufgaben von Behörden übernehmen?
Letzte Aktualisierung am: 9. September 2024
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Sind private Blitzer erlaubt?
Blitzer und Radarfallen sind für Städte und Gemeinden eine kostspielige Anschaffung. In den vergangenen Jahren griffen diese deshalb oftmals auf die Unterstützung von Privatunternehmen zurück. Jene stellten auf eigene Kosten dann private Blitzer an vereinbarten Orten auf, überwachten die Messungen und warteten die Geräte. Auf Grundlage der Messungen erstellten die örtlichen Polizeibehörden dann Bußgeldbescheide und stellten diese den beschuldigten Fahrern zu.
Das sparte den Behörden nicht nur Geld für den Kauf teurer Blitzer, die sie so nur anmieten mussten. Sie konnten die Belastung der eigenen Behörden auch verringern, indem die eine oder andere private Blitzer-Firma deren Aufgaben übernahm. Doch ist die private Geschwindigkeitsmessung überhaupt zulässig? Und wie können Sie sich gegen mögliche private Blitzer zur Wehr setzen?
Inhaltsverzeichnis
FAQ: Private Blitzer
Blitzer von Privatunternehmen sind zwar per se zulässig. Allerdings hat das OLG Frankfurt hier Ende 2019 ein richtungsweisendes Urteil gefällt: Demnach dürfen die hoheitlichen Aufgaben der Polizei nicht an Privatunternehmen abgetreten werden. Entsprechende Blitzerfotos von privaten Geschwindigkeitsmessungen seien somit nicht belastbares Beweismittel. Lesen Sie mehr zu dem Beschluss hier.
Leider lässt sich dies anhand des Bußgeldbescheids nicht ablesen. Erst eine umfassende Akteneinsicht kann hier helfen. Die erhalten Laien jedoch in der Regel nicht im selben Maße wie ein von ihnen beauftragter Anwalt. Zudem weiß dieser auch, worauf im Einzelnen zu achten ist.
Sie haben ab Zustellung eines Bußgeldbescheids stets 14 Tage Zeit, um Einspruch gegen diesen zu erheben. Ob ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid im Einzelfall jedoch auch lohnt, kann ein Anwalt für Verkehrsrecht nach umfassender Akteneinsicht bewerten.
OLG Frankfurt (a. M.) traf Ende 2019 richtungsweisenden Beschluss
Das Oberlandesgericht Frankfurt befasste sich 2019 mit einem Fall, in dem sich ein hessischer Autofahrer gegen einen Bußgeldbescheid zur Wehr setzte, der auf Grundlage einer privaten Verkehrsüberwachung erging.
In dem vorliegenden Fall hatte die örtliche Polizeibehörde im Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages die eigenen hoheitlichen Aufgaben der Durchführung der Geschwindigkeitsmessung, Datenverarbeitung sowie der Erstellung von Messberichten an einen Mitarbeiter eines Privatunternehmens übertragen. Dieser trat im Verfahren als Zeuge auf. In seinem Beschluss vom 06.11.2019 (Az. 2 Ss-OWi 942/19) gelangte das Gericht zur Auffassung, dass die Geschwindigkeitsmessung durch das private Unternehmen gesetzeswidrig sei.
Die Abtretung der hoheitlichen Aufgaben der Verkehrsüberwachungsbehörden an einen privaten Anbieter fußte auf einer rechtswidrigen Arbeitnehmerüberlassung. Die vermeintlichen Beweise, die der private Blitzer erfasste, seien damit nicht verwertbar, da sie nicht von eigenem, speziell geschultem Personal erstellt und geprüft wurden:
“Die vorliegend durchgeführte Verkehrsüberwachung durch den gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirk der Gemeinden Freigericht und Hasselroth ist gesetzeswidrig. Die im hoheitlichen Auftrag von einer privaten Person durchgeführte Geschwindigkeitsmessung hat keine Rechtsgrundlage. In der Folge hätte das Regierungspräsidium Kassel keinen Bußgeldbescheid erlassen dürfen.”
Eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vonseiten der Amtsanwaltschaft Hanau wurde abgewiesen.
Auch auf andere Kreise in Hessen hatte das Urteil Auswirkungen. Doch nicht nur in Hessen griffen Polizeibehörden lange auf private Blitzer-Unternehmen und deren entlastende Tätigkeiten zurück. Unter anderem in Bayern, Brandenburg, Sachsen, NRW und dem Saarland wurden private Radarkontrollen im Auftrag der Behörden durchgeführt.
Was bedeutet das für Betroffene auch in anderen Bundesländern?
Das Urteil des OLG Frankfurt kann richtungsweisend wirken. Auch in den anderen Bundesländern ist die Abtretung der hoheitlichen Aufgaben im Bereich der Verkehrsüberwachung an private Blitzer-Unternehmen nicht ohne Weiteres zulässig.
Das Problem: Ob private Blitzer-Unternehmen im Hintergrund einer Messung und eines erhaltenen Bußgeldbescheides stehen, ist für Laien kaum ersichtlich. In den Bußgeldbescheiden bezieht sich der Hinweis auf mögliche Beweise auf die eingesetzten Messgeräte. Erst eine umfassende Akteneinsicht kann klären, ob eine private Geschwindigkeitsmessung im Hintergrund steht.
Zwar können Betroffene grundsätzlich auch selbst Akteneinsicht beantragen, nachdem sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben. Die Einsichtnahme ist jedoch beschränkt und ein Laie kann kaum beurteilen, worauf zu achten ist. Deshalb empfiehlt es sich häufig, einen Anwalt für Verkehrsrecht zu konsultieren. Dieser kann umfassendere Akteneinsicht nehmen und den Sachverhalt bewerten. Im Zweifel kann er auf Grundlage privater Blitzer auch eine geeignete Verteidigungsstrategie für einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entwickeln.
Beachten Sie dabei aber auch die Verhältnismäßigkeit: Für die Beauftragung eines Anwaltes entstehen regelmäßig Kosten. Zudem fallen bei gerichtlicher Tätigkeit zusätzlich Gerichtskosten an. Eine Rechtsschutzversicherung kann bei guten Einspruchsaussichten einen Teil der Kosten übernehmen, besteht jedoch häufig auf einer Selbstbeteiligung. Prüfen Sie daher vorab oder lassen Sie im Rahmen einer anwaltlichen Beratung prüfen, welche Einspruchschancen sich in Ihrem Fall ergeben.
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